Berlin (em/ab) Seit einigen Jahren bereits ist Burnout als Krankheitsbild in aller Munde. Doch es gibt auch Menschen, die nicht durch zu viel, sondern durch zu wenig Arbeit oder einen Beruf, der sie nicht ausfüllt, krank werden.

Studien belegen, dass sich 40 Prozent der Angestellten unterfordert fühlen. Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov im vorletzten Jahr hat ergeben, dass in Deutschland sogar jeder zweite Arbeitnehmer unzufrieden mit seinem Job ist. Natürlich wird nicht jeder krank, der sich unterfordert fühlt oder mit seinem Job nicht glücklich ist. Doch weisen diese Studien darauf hin, dass Boreout ein Phänomen ist, das bislang unterschätzt wurde. Geprägt wurde der Begriff „Boreout“ von den Schweizer Unternehmensberatern Philippe Rothlin und Peter Werder. Sie wollten damit deutlich machen, dass nicht nur krankhafte Arbeitswut negative Auswirkungen auf den Körper und die Psyche der Betroffenen hat, sondern auch unterfordernde Aufgaben und mangelnde Herausforderungen im Beruf.

Merkmale von Boreout
Wenn Angestellte nur Dienst nach Vorschrift machen, gelangweilt, unmotiviert und lustlos erscheinen, sollten Vorgesetzte aufmerksam werden. Aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, täuschen gelangweilte Mitarbeiter eine Beschäftigung vor, die sie scheinbar auslastet. Meist ist das der Beginn eines Teufelskreises, denn der vorgetäuschte Stress verursacht echten Stress. Die Arbeitnehmer haben in dieser Phase bereits innerlich gekündigt, auch psychische Erschöpfung macht sich breit, Müdigkeit und Lustlosigkeit werden zu ständigen Begleitern. Dadurch fällt es ihnen immer schwerer, ihre Arbeitsaufgaben zu erledigen. Die Motivation, ihrer Arbeit nachzugehen, sinkt auf den Nullpunkt. Sie fühlen sich leer, ausgelaugt und bedeutungslos, zweifeln an sich selbst, leiden unter Schlafstörungen, Magenbeschwerden, Tinnitus, Kopf- und Rückenschmerzen, psychosomatischen Erkrankungen und entwickeln Depressionen. Oder sie versuchen ihre innere Leere mit Alkohol und Medikamenten zu bekämpfen. Allgemeines Verhalten des Mitarbeiters:

• Der Mitarbeiter wirkt lustlos, desinteressiert und in sich gekehrt
• Er strahlt wenig Motivation und positive Energie aus
• Er wirkt müde und „ausgebrannt“, seine Belastbarkeit sinkt
• Er zeigt gereiztes Verhalten Arbeitsspezifisches Verhalten:
• Die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters insgesamt sinkt
• Er erledigt Aufgaben langsamer als sonst
• Er ist unkonzentriert und nicht bei der Sache
• Er erledigt in seiner Arbeitszeit private Angelegenheiten, surft im Internet oder ähnliches • Er stellt auch dann keine Rückfragen, wenn er etwas nicht versteht
• Er leistet Dienst nach Vorschrift
• Er zeigt kein Engagement mehr, das über seine Aufgaben hinausgeht, bringt sich nicht mehr ein
• Es kommt zu Konflikten mit Vorgesetzten und Kollegen
• Die Fehlzeiten häufen sich
Ursachen für Langeweile im Job
Am häufigsten wurden in der YouGov-Studie als Ursachen der Langeweile schlechte Bezahlung und fehlende Anerkennung genannt. Anderen fehlt der Spaß an ihrer Tätigkeit, weil es ihnen an Abwechslung mangelt und das Arbeitsklima schlecht ist. Einige Betroffene würden auch lieber in anderen Regionen oder im Ausland arbeiten. Und dann gibt es noch diejenigen, die mit ihrem Chef einfach nicht zurechtkommen. Allen Betroffenen gemein ist, dass ihnen ihr Job keine Herausforderung bietet, dass ihnen die Erfüllung fehlt. Das kann an einer quantitativen Unterforderung liegen, bei der nicht genügend Arbeit vorhanden ist, weil zu viele Mitarbeiter für eine Aufgabe zuständig sind. Möglich ist auch eine qualitative Unterforderung, bei der sich Angestellte mit einer Arbeitsaufgabe herumschlagen müssen, die unter dem Niveau ihrer Qualifikation und Kompetenz liegt. Es kann aber auch daran liegen, dass sie schlichtweg einen Berufsweg eingeschlagen haben, der nicht ihren Neigungen entspricht.

Was Führungskräfte tun können
Viele Führungskräfte erkennen eine mögliche Unterforderung ihrer Mitarbeiter nicht rechtzeitig, da sie selbst stark unter Druck stehen und ihnen die Zeit fehlt, sich um die Belange ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Chefs, die glauben, dass ein Mitarbeiter unter Boreout leidet, sollten ein offenes Gespräch führen. Die Initiative dafür sollte vom Chef ausgehen, denn Langeweile und Unzufriedenheit im Job sind noch immer Tabuthemen. Aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes schweigen Mitarbeiter lieber, als Unterforderung offen einzugestehen. Häufig erkennen Betroffene das Problem auch selbst nicht. Optionen, um ein Boreout in den Griff zu bekommen, sind: Dem Mitarbeiter neue Aufgaben zuweisen, mehr Verantwortung übertragen, ihn auffordern, seine Ideen einzubringen oder mehr Mitbestimmung zu erlauben.

Coaching
Weil die Führungskraft sich allerdings selten als Problemlöser empfiehlt, kann es hilfreich sein, sich Unterstützung durch einen externen Coach zu holen. Als neutrale, außenstehende Person ist er unabhängig von der Firmenpolitik und gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, sich über seine Situation klar zu werden.

Foto(links): Hedda Rühle ist Diplom-Psychologin und Dozentin für Psychopathologie, Psychologie und Psychotherapie in Berlin. Seit 1995 ist sie selbstständig in einer freien psychotherapeutischen Praxis in Berlin tätig.

Foto(rechts): Dr. Sandra Maxeiner ist promovierte Politikund Sozialwissenschaftlerin und absolvierte Ausbildungen zur Heilpraktikerin für Psychotherapie sowie zum Coach. Sie ist zudem als ehrenamtliche Hospizhelferin tätig.