Hamburg (sh/kv) Der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundesverbandes für Burnout- Prophylaxe und Prävention (DBVB), Holger Kracke, hat sich die Zeit genommen, mit uns über sein aktuelles DenkEvent „Mit Vollgas durch die Digitalaxis - erfolgreich und leistungsfähig in einer wahnwitzigen Welt“, zu sprechen. Der Top100-Speaker, Trainer und Autor gilt als einer der renommiertesten Experten für gesunde Leistungsfähigkeit und Burnout- Prävention.

Bei ihm steht der Mensch im Mittelpunkt. Ob im digitalen Wandel, auf dem Weg zum Peak- Performer oder dem gesunden Selbst- und Ressourcenmanagement: Der Erfolgsgeheimnisverräter gibt wertvolle Impulse und zeigt, wie persönliche Ziele erreicht und die eigene Leistungsfähigkeit gesteigert werden können. Einfach, schnell, effizient!

Er schafft es seine Seminarteilnehmer durch seine inspirierenden Weltgeschichten zu fesseln und auf magische Art von Grenzen, die sie sich selbst gesetzt haben die aber in Wirklichkeit keine sind zu befreien.

Seine Tätigkeit als Dozent und Studienleiter, die er seit 2001 ausübt, weckte in ihm den Wunsch, sich verstärkt auf die Persönlichkeitsentwicklung zu fokussieren. 2010 verwirklichte er sich diesen mit einer Neuausrichtung und umfassenden Ausbildungen in den Bereichen Peak Performance und psychische Gesundheit.

Mit Vollgas durch die Digitalaxis, wo ist das Bremspedal?
Man könnte meinen, wer bremst verliert. Und genau da liegt das Problem. Unsere Umwelt und die Medien suggerieren uns häufig, dass wir immer noch mehr leisten müssen. Dass das aktuelle Pensum nicht ausreichend ist. Das setzt viele von uns unter einen immensen Leistungsdruck, dem sie versuchen standzuhalten. Das bedeutet aber ein ständiges Stehen auf dem Gaspedal. Und dann fällt es häufig schwer, das Bremspedal noch zu finden geschweige denn zu bedienen.

Was ist der Wahnsinn an der Digitalaxis?
Veränderungen gab es schon immer. Und auch die Digitalisierung läuft schon viel länger, als viele vermuten. Aber da ist diese extreme Geschwindigkeit, mit der wir heutzutage unterwegs sind. Es gibt einen Begriff, der immer häufiger mit der Digitalisierung in einem Atemzug genannt wird: Exponentiell.

Das heißt ja nichts anderes, als dass es in einer rasenden Geschwindigkeit passiert. Schon früher dachten wir „Wow ist das schnell“, und unsere Eltern sagten: „Ich komme da nicht mehr mit. Heute hat die Geschwindigkeit so zugenommen, dass immer mehr Menschen der Generation Golf auch an einem Punkt sind, wo sie sagen: „Ich weiß nicht, wie ich da noch mitkommen soll“.

Von der evolutionären Entwicklung betrachtet befinden wir uns noch im Zeitalter der Säbelzahntiger. Und wir sind für die schnellen Veränderungen der heutigen Zeit eigentlich nicht ausgerichtet.

„Stell dir vor man setzt sich auf ein Pferd und dieser Gaul bewegt sich nicht. Der bewegt sich auch nach drei Tagen nicht. Dann steige ich doch vielleicht mal ab und schaue nach, ob man mir nicht ein Kamel angedreht hat?“

Jede Woche gibt es etwas Neues, wie kann man da mithalten?
Schwer. Man muss es ja einfach so sagen. Denn für mich funktionieren diese einfachen Tipps nicht, die wir so häufig bekommen. Ich bin überzeugt davon, mit „denk mal anders“ oder „fahr doch mal links rum wenn du mal rechts gefahren bist“, das wird nicht funktionieren. Groß in Mode ist aktuell auch der Ratschlag für mehr Fokussierung. „Du musst dich fokussieren. Wenn du einmal einen Weg eingeschlagen hast, dann verändere ihn nicht mehr“.

Oder vor einiger Zeit habe ich in einem Vortrag gehört „aufgeben wäre keine Option“. Ich wünsche mir hier, dass man sich eine gesunde Selbstreflexion bewahrt. Wenn man sich auf ein Pferd setzt und es bewegt sich drei Tage nicht, dann steige ich doch vielleicht mal ab und schaue nach, ob man mir nicht ein Kamel angedreht hat!? Wenn nicht, ist der Gaul tot und es macht Sinn, sich ein anderes Tier zu nehmen.

Was ich damit sagen will ist, dass man auch mal schauen sollte welche Alternativen man hat. Das Grundproblem in der heutigen Zeit ist auch nicht die Fokussierung. Davon haben wir eher zu viel. Es fehlt an ganz anderen Kompetenzen. So mangelt es häufig an der Entspannungsfähigkeit, einer gesunden Erwartungshaltung und einer guten Emotionsregulation. Sind diese Faktoren optimal ausgeprägt, führt das zu einer entspannten Wachheit, die auch als Flow-Zustand bezeichnet wird. Das ist der Schlüssel für Anpassung, Leistungsfähigkeit und Erfolg.

Albert Einstein hat einmal gesagt Müßiggang ist das, was ihn zum Nobelpreis gebracht hat. Aber dieses Wort kennt ja kaum noch jemand, oder?
Ja so ist es, es fällt uns einfach immer schwerer. Ein Grund dafür ist, dass wir ständig „on“ sind. Das fängt schon damit an, dass wir ständig unser Handy dabei haben. Wenn man mal schaut, der normale User guckt am Tag zirka 80-mal auf sein Handy. Ein Heavyuser macht das über 200-mal. Dieser User guckt ja nicht nur, er macht ja auch irgendetwas damit und kommt so auf über zwei Millionen Berührungen des Displays im Jahr. Da muss man sich dann mal fragen, wieviel Zeit bleibt dann noch für andere Dinge?

Was ist das, was uns wirklich überfordert?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist unser zunehmendes Multitasking-Verhalten. Der Second-Screen auf der Couch ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Wir machen viele Dinge gleichzeitig, ohne uns wirklich auf eine Sache zu konzentrieren. Das hat gravierende Folgen. Es gibt da eine schöne Studie von Microsoft Canada. Dort wurde in der sogenannten Goldfischstudie herausgefunden, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne nur noch bei acht Sekunden liegt.

Warum Goldfischstudie? Weil die eines Goldfisches angeblich bei neun Sekunden liegt, also eine Sekunde mehr als bei uns. Das könnte einem jetzt zu denken geben. Ob die Zahlen jetzt wirklich stimmen, weiß ich nicht.

„Über 68 % der Menschen in unseren Breitengraden hätten gern ein Mehr an Entspannung. Das wichtigste für sie ist erwiesener Maßen Zufriedenheit und soziale Kontakte. Und nicht Geld oder irgendetwas anderes.“

Aber was wir feststellen ist, wenn man sich zum Beispiel die Entwicklung von YouTube-Videos anschaut. Dann sind die heute in der Regel maximal zwei Minuten lang. Wenn sie länger sind, sinkt die Aufmerksamkeit deutlich. Das interessiert die Menschen dann nicht.

Wir sehen das an vielen Beispielen, dass diese Aufmerksamkeitsspanne deutlich nach unten geht. Ich werde erst in dem Moment fokussierter, wo ich mehr entspanne. Es ist und bleibt des Rätsels Lösung: Für ein Mehr an Entspannung zu sorgen und damit leistungsfähiger und fokussierter zu sein.

Bedeutet das wir sollten weniger arbeiten?
Das hat nichts mit weniger arbeiten zu tun, das wäre dann in die falsche Richtung gedacht. Das hat mit der Quantität der Arbeit nichts zu tun. Es gibt Menschen die arbeiten am Tag 16 Stunden und sind total zufrieden, gesund und leistungsfähig. Aber wir sollten dafür sorgen, dass unsere Entspannungsfähigkeit, Erwartungshaltung und Emotionsregulation gut ausgebildet sind.

„Der Trick um wirklich leistungsfähig zu sein, besteht in der Entspannungsfähigkeit und nicht darin sich ständig zu fokussieren. Der ideale Zustand ist die entspannte Wachheit.“

Immer höher, schneller, weiter. Das ist gefühlt heutzutage die Devise, nicht nur sportlich sondern gerade auch beruflich. Wie kann ich mich vor dem sogenannten Hamsterrad schützen?
Dieses höher, schneller, weiter bestimmt unsere Gesellschaft. Es wird alles immer schneller, es wird ja nichts langsamer in irgendeiner Form. Es wird auch niemand den Stecker ziehen und dieses Internet ausschalten. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir das wirklich wollen würden. Also bleibt uns nur die Alternative, uns anzupassen. Uns fit zu machen für die Anforderungen, die an uns gestellt werden. Methoden dazu stelle ich in meinem Buch ‚Und jetzt Ich!‘ vor. Aber wir sind hier auch bei dem Thema Burnout-Prävention in Unternehmen. Der Druck für Unternehmen wird größer. Wir befinden uns bereits im ‚War for Talents‘ und das betrifft insbesondere kleine und mittlere Betriebe bis 200 Mitarbeitern. In der Fachkräftediskussion werden Aspekte wie Unternehmensattraktivität und Gesundheit immer wichtiger. Die Kernfrage wird sein: Wie schaffe ich es, meine Belegschaft möglichst lange gesund und leistungsfähig zu halten und gleichzeitig für neue Mitarbeiter interessant zu werden? Der Obstkorb, Zuschüsse zum Fitnessstudio, ein Gesundheitstag oder der alljährliche Betriebsausflug das lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Und ändert übrigens auch nichts an der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter bzw. dem Krankenstand. Gefragt sind psychische Gefährdungsbeurteilungen und Seminare zu den Themen Gesund Führen und Burnout-Prävention für Mitarbeiter ...