Norderstedt (em) Die Laufbahn von Torsten Albig ist geprägt von Erfahrung und Erfolgen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Er lebt mit seiner Familie seit 2002 in Kiel. Aufgewachsen ist der 48-Jährige in Ostholstein, bevor der gebürtige Bremer 1977 nach Nordrhein-Westfalen zog.

Bereits 1982 ist er in Bielefeld in die SPD eingetreten, dort machte er sein Abitur und studierte Jura. Ende 1994 ist der gebürtige Bremer für das Land Schleswig-Holstein nach Bonn in die Landesvertretung im Bund gegangen. Daraus wechselte Torsten Albig 1996 in das Büro des damaligen SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine und arbeitete bis zur Bundestagswahl 1998 für den Parteivorstand der SPD im Planungsstab. Seit Juni 2009 ist Torsten Albig direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählter Oberbürgermeister von Kiel. Nun kandidiert er für das Amt des Ministerpräsideten. Im Gespräch mit Verlagsleiter Sven Boysen stand er Rede und Antwort zu aktuellen Themen der Region.

Herr Albig, wann fahre ich das erste Mal durch den neuen Elbtunnel bei Glückstadt über die A20 auf die A7?
Diese Frage kann niemand verlässlich beantworten. Ich kann allerdings fest zusagen, dass Infrastrukturpolitik in meinen Augen wichtiger Bestandteil einer effizienten Wirtschaftspolitik ist. So ist die A20 kein Randzonenprojekt, sondern wichtiger Bestandteil unseres Wirtschaftsraumes. Darüber hinaus ist sie übrigens immer noch ein Projekt der Deutschen Einheit.

Gibt es Gedanken an eine Autobahnabfahrt Norderstedt?
Angesichts der Haushaltslage des Landes Schleswig-Holstein werden wir die genauen Planungen im Bereich der Infrastruktur sorgfältig abwägen müssen. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist dabei für mich jedoch Kernstück jeder Planung. Dabei gilt es, eine Abwägung von Interessen und Prioritäten vorzunehmen.

**Gibt es eine Chance auf neue Arbeitsplätze bei Dodenhof in Kaltenkirchen?**Als Ministerpräsident werde ich sowohl mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, als auch mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Gespräch bleiben und mich dafür einsetzen, Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein zu erhalten und auszubauen. Wichtig ist mir dabei gute Arbeit für alle Menschen in Schleswig- Holstein. Wir wollen Arbeit, von der die Menschen gut leben können und die Teilhabe ermöglicht. Eine gute Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Unternehmensverbänden ist dafür die tragende Säule. Wir achten und fördern die Tarifautonomie, nutzen das Innovationspotential der Sozialpartner und der Kammern. Ich möchte Arbeitsbedingungen in Schleswig-Holstein mit fairen, leistungsgerechten und tariflich abgesicherten Entgelten und Mindestlöhnen sowie Mindestausbildungsvergütungen, die einen eigenständigen Lebensunterhalt ermöglichen. Eine SPD-geführte Landesregierung wird ein Tariftreuegesetz mit einem vergabespezifischen Mindestlohn auf den Weg bringen. Wir setzen uns darüber hinaus für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro ein.

Wird unter Ihrer Regentschaft die Elbvertiefung durchgeführt?
Die Elbvertiefung und der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals gehören für mich zusammen. Sie stärken unseren Wirtschaftsraum. Der Hamburger Hafen gibt so vielen Menschen aus Schleswig-Holstein, wie keines der großen Einzelunternehmen in unserem Land, Arbeit direkt und indirekt rund 20.000 Menschen. Zigtausende Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein hängen noch dazu vom Hafen Hamburg ab. Jeder dritte Container, der im Hamburger Hafen umgeschlagen wird, passiert den Nord-Ostsee-Kanal; davon und von den 3.500 Jobs rund um den Nord- Ostsee-Kanal profitiert unser Land. Die Elbvertiefung wird unter ökologischen Gesichtspunkten jedoch nicht einfach. Ökologische Erfordernisse werden wir gewährleisten und die vereinbarten Ausgleichs-maßnahmen für Eingriffe in Natura-2000-Gebiete wie auch den Deichschutz werden wir ernst nehmen und umsetzen.

Kommt die Kreisgebietsreform?
Wichtiger als jede Strukturreform ist in einem ersten Schritt eine Aufgabenkritik. Wenn wir es schaffen, im nächsten Jahrzehnt die Strukturen der Landes- und Kommunalverwaltungen so zu verändern, dass 25 Prozent der rein administrativen Aufgaben im ganzen Land entfallen können, verbessern wir die Verwaltung und können frei werdende Mittel in die Zukunftsfähigkeit Schleswig-Holsteins investieren. Dies werden wir über die natürliche Fluktuation erreichen können, betriebsbedingte Kündigungen schließen wir aus. Landesaufgaben werden vielfach an Kompetenzzentren der Kommunen übertragen und auf diese Weise auch bürgernäher und können vielfach unter intensiverem Einsatz moderner Kommunikationsmittel, erledigt werden. Eine Reform ist dringend notwendig Bildungsqualität muss Priorität vor Bürokratie haben.

Was passiert mit unseren Atomkraftwerken Brokdorf, Brunsbüttel, ... bei voraussichtlich 40 Jahren für den Rückbau und Milliardenkosten und wie stark wird Schleswig-Holstein durch Ihre Vision in der Energiewirtschaft belastet?
Die Strom- und Wärmeerzeugung aus fossilen Energieträgern muss bis zur Mitte des Jahrhunderts durch neue Energien wie Wind, Sonne und Geothermie ersetzt werden. Dabei wollen wir Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz gewährleisten. Eine solche konsequente Energiewende ist der Wachstumsmotor für Schleswig-Holstein und schafft viele tausend neue und qualifizierte Arbeitsplätze vor Ort, im Mittelstand und beim Handwerk. Das Festhalten an der Atomenergie hat Milliarden gebunden, statt das Geld in den Ausbau regenerativer Energien zu stecken. Wir könnten weiter sein, als wir heute sind. Nicht zu reden von den verschleuderten Milliarden, die längst in Technologien der Zukunft investiert sein könnten. Klimaschutz mit regenerativen Energien ist innovativ und beispielhaft. Das ist Zukunft für uns alle. Darüber gibt es keinen vernünftigen Zweifel. Doch seien wir uns im Klaren, der Weg dorthin ist nicht einfach. Bund und Land tun im Augenblick nichts. Wir planen fast 25 GW neue Stromerzeugung in der Nordsee aber es gibt kein Kabel, keine Speichertechnologie, die den Strom aufnehmen könnte. Wir laufen sehenden Auges in die Situation, dass das Einzige, was passiert, dramatisch steigende Energiekosten und heiß laufende Windräder sind und dass die Konzerne schnell eine Antwort bereit haben: „Lasst uns doch unsere schönen AKWs wieder anschalten“. Das darf nicht passieren. Wir brauchen eine Offensive für den Netzausbau im Land. Planungsrecht muss geschaffen werden aber vor allem müssen die Bürgerinnen und Bürger überzeugt werden, wie wichtig dieses Projekt für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist. Diese Technik werden wir aber nur dann erfolgreich entwickeln, wenn dafür auch die nötigen Menschen da sind, die so etwas können. Dafür brauchen wir herausragende Universitäten, die Ingenieure ausbilden, um unseren innovativen Unternehmen zu helfen, die Märkte der Zukunft zu erschließen. Wir müssen uns auf Weltniveau bewegen, wenn wir langfristig dabei sein wollen.

Was ist mit geplanten CO2 Lagerstätten, wie z. B. in Kaltenkirchen? Was halten Sie von dieser Technologie?
Ich lehne die CCS-Technik wegen ihres hohen Risikos und der geringen Effizienz grundsätzlich ab.

Wenn die Fehmarnbelt-Querung vorhanden ist, wird Schleswig- Holstein vielleicht nur noch Durchgangsland. Gibt es Pläne dagegen?
Wenn die feste Fehmarnbelt-Querung kommt, werden wir die möglichen Chancen für Schleswig-Holstein herausarbeiten und umsetzen. Bei der Entwicklung der Hinterlandkonzepte werden wir die Sorgen und Anliegen der Menschen und Kommunen in den Mittelpunkt rücken. Wir werden sie bei allen Planungen beteiligen, ihre Ideen und Anregungen sammeln und einbringen und damit zeigen, dass ein Staat fähig ist, auch gesellschaftlich strittige Infrastrukturentwicklungen klug zu begleiten und zum Wohle des Gemeinwesen zu gestalten. Dies werden wir bei allen Verhandlungen und gegenüber allen Partnern deutlich machen. Die Bundesregierung ist uns gegenüber in der Pflicht.

Welche Punkte haben Sie in Kiel während Ihrer Zeit als Oberbürgermeister umgesetzt, die Sie auch im Land umsetzen wollen?
Wir haben in Kiel zwei Schwerpunkte gesetzt, die auch wichtig für Schleswig-Holstein sind. Erstens haben wir alles, was möglich ist, in Bildung investiert: Mit einem bundesweit vorbildlichen Projekt werden wir aus Berufsschulen regionale Berufsbildungszentren machen. Hier wurden und werden in den nächsten Jahren 100 Millionen Euro investiert, um für die Berufschülerinnen und -schüler gute Lernbedingungen zu schaffen. Und wir haben die Schulsozialarbeit massiv ausgebaut. Wir müssen alles dafür tun, dass kein Kind mehr auf dem Weg zum bestmöglichen Bildungsabschluss zurückgelassen wird. Das muss auch die vordringlichste Aufgabe für die neue Landesregierung sein. Und zweitens ist es gelungen, in den letzten Jahren das strukturelle Haushaltsdefizit in Kiel annähernd zu halbieren. Das geht nur durch eiserne Ausgabendisziplin und durch eine gute Einnahmesituation. Genau das müssen wir auch auf Landesebene sicherstellen.

Wie wird sich das UKSH unter Ihrer Regierung entwickeln?
Das Universitätsklinikum Schleswig- Holstein (UKSH) ist der größte Arbeitgeber im Land, der größte Träger der medizinischen Maximalversorgung in Norddeutschland und das zweitgrößte Universitätsklinikum in Deutschland. Es ist ein zentraler Eckpfeiler der qualifizierten Medizinerausbildung in Schleswig- Holstein. Ich halte am UKSH in öffentlicher Trägerschaft fest.

Wie ist Ihre Zielsetzung in Sachen Flughafen Kiel?
Aus Sicht des Landes brauchen Kommunen keine Flughäfen. Unser Flughafen steht in Hamburg-Fuhlsbüttel. Was die Kommunen selbst für mögliche oder bestehende Flughäfen tun, bleibt ihnen selbstverständlich selbst überlassen. So sehe ich hervorragende Chancen für das Konzept, aus dem Flughafen Kiel einen sogenannten „Airpark“ zu machen, also ein Gewerbegebiet mit Landebahn, das auch noch einen ziemlich direkten Zugang zum Nord-Ostsee-Kanal hat. Ich werde, dann sicherlich aus anderer Perspektive, die Erfolgsgeschichte des Airpark Kiel gern weiter verfolgen.